Page 29 - stadtland magazin September 2020
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S T AD TLAND MA G A ZIN  |  S T AD T GESCHICHTE

           unterbrochen werden, wenn  kein geeigneter   dene Verhältnis von christlichen und jüdischen
           Lehrer zur Verfügung stand. Dann besuchten die   Bürgern noch zusätzlich.
           jüdischen Kinder die katholische Volksschule; ab   Die letzte jüdische Familie verließ Sendenhorst
           1870 blieb die Judenschule geschlossen.  1912, noch vor dem 1. Weltkrieg.
           Die jüdischen Gottesdienste wurden in der Syna-  Nach Einebnung der Befestigungsanlagen  im
           goge gefeiert; Synagoge nennt sich das jüdische   18. Jahrhundert blieb ein kleiner Rest des Walls
           Gotteshaus. Sie stand am Schlabberpohl, dort, wo   erhalten und diente der jüdischen Gemeinde als
           jetzt der Parkplatz ist. Hier befi ndet sich eine Ste-  Friedhof. In der Ostenpromenade  ist er heute
           le, die an die Juden in Sendenhorst erinnert.  noch zu fi nden.
           Im 19. Jahrhundert war die allgemeine Stim-  Auf den Grabsteinen kann man die in hebräischer
           mung gegenüber den Juden geteilt: Sie waren als   (Rückseite) und lateinischer Schrift (Vorderseite)
           Nachbarn akzeptiert, aber als 1840 die Ostheide   eingemeißelten Inschriften erkennen. Der ältes-  ←  Gedenkstelle
                                                                                                           an der Stelle
           aufgeteilt wurde und jeder Sendenhorster Bürger   te Jude war Elias Stern. Er wurde 103 Jahre alt   der ehemaligen
                                                                                                           Synagoge am
           ein Grundstück erhielt, wurden die jüdischen   und 1870 auf dem Friedhof beerdigt. Die letzte   Schlabberpohl
           Mitbürger übergangen, mit der Begründung, sie   jüdische Familie war die Familie Löwenstein.
           seien ja „keine Sendenhorster“.     Sie verließ Sendenhorst 1912 und wanderte nach   Aufgaben:
           In den 1890er Jahren kam es in Folge von 2 Ver-  Amerika aus. Samuel Löwenstein kam 1947 als
           anstaltungen zu Ausschreitungen. Ein Angehö-  63-Jähriger wieder nach Sendenhorst. Er besuchte   1)  Wie heißt die Kirche der Juden;
           riger der Familie  Leefmann hatte  sich abfällig   die Gräber seiner Familienmitglieder auf dem Ju-  wo stand sie in Sendenhorst?
           bei Theodor Wieler (Hotel Ridder - heute Volks-  denfriedhof, der die Zeit des Nationalsozialismus   2) Wo befindet sich der jüdische Friedhof?
           bank) über die Marienverehrung geäußert und so   unversehrt überstanden hatte. Heute ist der Fried-  3)  In welchem Zeitraum gab es
           starke Proteste bei den Katholiken verursacht.   hof seit dem Stadtjubiläum 2015 wieder frei zu-  in Sendenhorst eine Judenschule?
           Es kam zu Aufruhr in der Bevölkerung. Der „Läs-  gänglich. Ein Ort, den es selbst für Sendenhorster   4)  Welche Sprache erlernten die
           terer“ wurde bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.   noch kennenzulernen lohnt!  jüdischen Kinder?
           Als sich damit kein Erfolg erzielen ließ, ließ man
           den antisemitischen Redner Dr. König aus Witten   ↓  Hs. Alsberg, 1970er, damals Spielwaren Hanselick, heute Fahrräder
           kommen. Trotzdem Eintrittsgeld erhoben wurde,
           füllten an 1.000 Besucher den Werringschen Saal.
           Im  Anschluss an die  Versammlung wurde ein
           Antisemitenverein gegründet, der auch vom anti-
           semitisch eingestellten Bürgermeister Wilbering,
           später Bürgermeister von  Wattenscheid, aktiv
           unterstützt wurde.                                                                                            Infos unter: www.Heimatvereinsendenhorst.de | Bilder: Heimatarchiv Sendenhorst
           Für die 2. Versammlung hatte man den glänzen-
           den Redner Liebermann  von Sonnenberg ge-
           wonnen. Auch diesmal war der Saal überfüllt.
           Nach dieser  Versammlung  wagte kein Bürger
           mehr, ein Geschäft mit den Juden abzuschließen.
           Diesen  aber  blieb  kaum  eine  andere Möglich-
           keit, ihre Häuser zu verkaufen und wegzuziehen.                                                             Zusammengestellt von C. Hölscher
           Viele Sendenhorster boykottierten  nach diesen
           Veranstaltungen die wenigen jüdischen Geschäf-
           te im Ort. Dies verschärfte das ohnehin aufgela-





















                                                                               Mo. bis Fr. 9.00 bis 12.30 Uhr
                                                                                und 14.30 bis 18.30 Uhr
                                                                                Samstag 9.00 bis 14.00 Uhr           ANZEIGE
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